Samstag, 1. April 2017

 

Zeitreise ins fromme Zuhause

Ausstellung zeigt 160 Exponate aus den Jahren 1840 bis 1980

CAPELLE. Die beiden Büchlein ruhen in einer rot-gefütterten Kassette: ein Geschenk zur Hochzeit 1921 – mit frommem Inhalt. Links Gebete für den Gatten, rechts für die Ehefrau. Abgegriffen ist heute allerdings nur eines der beiden Ledereinbände. „Raten sie mal, wem von den beiden es gehörte“, sagt Ludger Hanke und lacht.

 ins fromme Zuhause

Dekorieren das Gewandt, das einst ein Domkapitular trug: (v. l.): Christel Wacker, Gisela Schulte, Agnes Spinne, Elfriede Kussel und Ludger Hanke. RN-FOTO VOM HOFE

Der stellvertretende Vorsitzende des Heimatvereins legt die Kassette wieder weg: nur eines von mehr als 160 Exponaten, die sich auf 200 Quadratmeter im Fachwerkhaus am Kirchplatz verteilen.

Ob Bilder, Sterbekreuze, Taufkleider oder Heiligenfiguren: „Einiges haben uns Familien extra zur Verfügung gestellt, vieles hatte der Heimatverein aber auch bereits“, so Hanke: Schenkungen von Familien aus den drei Ortsteilen. Was einst zu den gängigen Ausstattungsgegenständen jedes Hauses gehörte, sei nach und nach auf den Dachboden oder in den Keller gewandert. Und bevor es von dort in den Müll gehe, seien viele eben zum Verein gekommen, „zum Glück“.

Auf dem Regal reihen sich mehrere Christkinder und bärtige Jesusfiguren zwischen Marias. Die meisten lächeln sanft: typische Beispiele des nazarenisches Kunststils, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstand und 100 Jahre später Massenware wurde – und auch zuhauf in den Wohnstuben der Gemeinde Nordkirchen Einzug hielt. „Die meisten sind Gipsfiguren“, sagt Hanke: heute ohne großen finanziellem Wert. „Aber sie illustrieren eindrucksvoll den Alltag“ – in einer Zeit, als die Religion das ganze Leben bestimmte: von der Wiege bis zur Bahre.

Und zwischendurch auch vorm Ehebett nicht Halt machte. Im Obergeschoss des Heimathauses befindet sich rechts ein Schlafzimmer –so wie es vor 80 Jahren üblich war: mit Weihwasserbehälter neben dem Türrahmen und Heiligenbild über dem Ehebett.

Gegenüber ist ein Raum, in dem sich liturgisches Gerät befindet: Schalen, Kannen, Töpfchen – Gegenstände, die zur Feier der Gottesdienste nötig sind. „Alles Leihgaben aus den drei Kirchen“, sagt Hanke. Ein Schnitzbild mag nicht in diese metallene Sammlung passen: ein geschnitzter, lateinischer Segensspruch. Gesegnet sei, der kommt im Namen des Herrn.

„Pfarrer Wigger war Anfang des 20. Jahrhunderts, als die Kirche in Capelle erweitert wurde, hier Seelsorger“, erzähl Hanke. Der Geistliche sei ein begabter Schnitzkünstler gewesen.

Er fertigte fromme Kunstgegenstände an, verkauft sie und spendete das Geld für den Kirchbau – ein nützlicher Nebeneffekt der damaligen Volksfrömmigkeit.

Sylvia.vom-Hofe@mdhl.de