Samstag, 1. April 2017
CAPELLE. Die beiden Büchlein ruhen in einer rot-gefütterten Kassette: ein Geschenk zur Hochzeit 1921 –
mit frommem Inhalt. Links Gebete für den Gatten, rechts für die Ehefrau.
Abgegriffen ist heute allerdings nur eines der beiden Ledereinbände. „Raten sie
mal, wem von den beiden es gehörte“, sagt Ludger Hanke und lacht.
Dekorieren das Gewandt, das einst ein Domkapitular trug: (v. l.): Christel Wacker, Gisela Schulte, Agnes Spinne, Elfriede Kussel und Ludger Hanke. RN-FOTO VOM HOFE
Der stellvertretende Vorsitzende des
Heimatvereins legt die Kassette wieder weg: nur eines von mehr als 160
Exponaten, die sich auf 200 Quadratmeter im Fachwerkhaus am Kirchplatz
verteilen.
Ob Bilder, Sterbekreuze, Taufkleider oder
Heiligenfiguren: „Einiges haben uns Familien extra zur Verfügung gestellt,
vieles hatte der Heimatverein aber auch bereits“, so
Hanke: Schenkungen von Familien aus den drei Ortsteilen. Was einst zu den
gängigen Ausstattungsgegenständen jedes Hauses gehörte, sei nach und nach auf
den Dachboden oder in den Keller gewandert. Und bevor es von dort in den Müll
gehe, seien viele eben zum Verein gekommen, „zum Glück“.
Auf dem Regal reihen sich mehrere
Christkinder und bärtige Jesusfiguren zwischen Marias. Die meisten lächeln
sanft: typische Beispiele des nazarenisches
Kunststils, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstand und 100 Jahre später
Massenware wurde – und auch zuhauf in den Wohnstuben der Gemeinde Nordkirchen Einzug hielt. „Die meisten sind Gipsfiguren“,
sagt Hanke: heute ohne großen finanziellem Wert. „Aber sie illustrieren
eindrucksvoll den Alltag“ – in einer Zeit, als die Religion das ganze Leben
bestimmte: von der Wiege bis zur Bahre.
Und zwischendurch auch vorm Ehebett nicht
Halt machte. Im Obergeschoss des Heimathauses befindet sich rechts ein
Schlafzimmer –so wie es vor 80 Jahren üblich war: mit Weihwasserbehälter neben
dem Türrahmen und Heiligenbild über dem Ehebett.
Gegenüber ist ein Raum, in dem sich
liturgisches Gerät befindet: Schalen, Kannen, Töpfchen – Gegenstände, die zur
Feier der Gottesdienste nötig sind. „Alles Leihgaben aus den drei Kirchen“,
sagt Hanke. Ein Schnitzbild mag nicht in diese metallene Sammlung passen: ein
geschnitzter, lateinischer Segensspruch. Gesegnet sei, der kommt im Namen des
Herrn.
„Pfarrer Wigger war
Anfang des 20. Jahrhunderts, als die Kirche in Capelle
erweitert wurde, hier Seelsorger“, erzähl Hanke. Der Geistliche sei ein
begabter Schnitzkünstler gewesen.
Er fertigte fromme Kunstgegenstände an,
verkauft sie und spendete das Geld für den Kirchbau – ein nützlicher
Nebeneffekt der damaligen Volksfrömmigkeit.
Sylvia.vom-Hofe@mdhl.de